Hintergründe

Thomas Emanuel Cornelius

Der Organist im Porträt

Thomas Cornelius_c_Maxim Schulz
© Maxim Schulz

Manche Menschen finden ihre Stimme in der Sprache. Thomas Cornelius fand seine in der Orgel. 

 

Mit vier Jahren steht er im Schleswiger Dom, hoch oben auf dem Lettner, und hört zum ersten Mal diesen gewaltigen Klang. Nicht die Worte der Predigt prägen sich ein, sondern der Ton aus den Pfeifen – kraftvoll, klar, überwältigend. „Dieser Sound – das hat mich einfach überrollt. Da ist in mir der Wunsch entstanden, dieses Instrument selbst zu spielen.“ 

 

Mit elf spielt er sein erstes Konzert in eben jenem Dom. An das Staunen des Publikums über den jungen Organisten erinnert sich Thomas Cornelius bis heute. Für ihn ist es ein erstes Gehört-Werden. Die Orgel macht ihn sichtbar, gibt ihm Gewicht. „Ich wurde in diesem Moment wie ein Erwachsener wahrgenommen. Die Orgel hat mich stark gemacht“, sagt er 2021 in einem Spiegel-Interview. 

Die Orgel hat mich stark gemacht!
Thomas Cornelius

Als Komponist, Dirigent und Organist hat er sich längst einen Namen gemacht. Dabei entschied er sich bewusst gegen eine Solokarriere und für das Miteinander: „Auftritt, Hotelzimmer, Auftritt. Ich wollte nie ein Orgel-Freak sein, sondern ein Mensch, der in einem Team arbeitet.“  Als Haus- und Hoforganist der Elbphilharmonie und des NDR Elbphilharmonie Orchesters hat er dieses Ziel erreicht. Kein anderer kennt die Orgel des Hamburger Konzerthauses so gut wie er. Er hat ihren Bau begleitet, sie in über 250 Konzerten gespielt – und Gäste wie Helge Schneider oder Chilly Gonzales in das Instrument eingewiesen. Oft sitzt er nachts allein am Spieltisch, spielt für sich. In der Corona-Pandemie beginnt er das YouTube-Format „Elbphilharmonie Orgelführungen“, in dem er in insgesamt sechs Videos sympathisch und verständlich das hochkomplexe Instrument erklärt.  

Auch in ganz privaten Momenten ist die „Königin der Instrumente“ sein Sprachrohr. Als seine Frau in den Wehen liegt, spielt er noch ein letztes Stück, bevor er den Weg ins Krankenhaus antritt. Was andere mit Worten versuchen zu sagen, macht Cornelius mit der Orgel „Es war meine Form von Gebet.“ Später nimmt er seinen neugeborenen Sohn mit zum nächtlichen Üben. Statt mit väterlichem Gesang begleitet Cornelius seinen Sohn mit seiner ganz persönlichen Stimme, der Orgel, in den Schlaf. Er beginnt mit den leisen Tönen. „Aber erst als ich lauter spielte, ist er eingeschlafen.“ 

Dass Thomas Cornelius durchaus auch außerhalb der Elbphilharmonie konzertiert, beweist er am 5. Juni mit Camille Saint-Saëns’ Orgelsinfonie in der Bremer Glocke. Aber ganz egal, wo Cornelius spielt, eines ist sicher: Seine Orgelstimme erreicht die Menschen überall – so kraftvoll und klar, wie er es selbst als Kind im Schleswiger Dom erlebt hat.